Die Haseldörfer in der Nachkriegszeit und der Zeit des Sozialismus

Unmittelbar nach dem Krieg und der Besetzung durch die sowjetische Armee  begannen Entnazifizierungs- und Säuberungsaktionen, bei denen auch hier Unschuldige ohne Prozess ins KZ Buchenwald und danach nach Kasachstan deportiert oder  in der „Krummsche“ erschossen und verscharrt wurden. Die Wirtschaften des Nazibürgermeisters und des Ortsbauernführers sowie der Brömel’sche Betrieb (ehem. Flockenfabrik) wurden bei der Bodenreform enteignet. Das größte Problem nach dem Krieg war die Unterbringung, Verpflegung und Integration der aus den deutschen Ostgebieten vertriebenen Menschen. Mit einem Schlag hat sich die Bevölkerungszahl in Kirchhasel etwa verdoppelt. Welche Verhältnisse damals herrschten, kann z.B. an der Kirchhaseler Einklassenschule verdeutlicht werden. Hier musste der neue Lehrer vormittags 78 Schüler der Klassenstufen 4-8 und eine Lehrerin nachmittags 42 Kinder der Klassen 1-3 in einem Raum unterrichten, doppelt so viel wie vor dem Kriege. Die Schule, in der später nur noch die Kinder der Klassenstufen 1-4 unterrichtet wurden, ist 1966 geschlossen worden. Seitdem fahren alle Kirchhaseler  Schulkinder in die Zentralschule nach Neusitz später auch nach Uhlstädt. Bis Anfang der 1960er Jahre hatte sich die unerträgliche Enge in den Wohnhäusern im Wesentlichen aufgelöst, weil inzwischen einige neue Häuser gebaut wurden, viele „Umsiedler“ (so wurden die Kriegsvertriebenen in der SBZ/DDR bezeichnet) in die Städte zogen, wo sie in Industriebetrieben Arbeit fanden, und einige Leute der inzwischen gegründeten DDR den Rücken kehrten. Nach einer Aktionskampagne der SED gründeten 1958 ein paar Bauern die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) Typ I „Saaleaue“. Unter dem Druck einer zweiten Parteikampagne schlossen sich 1960 die übrigen Bauern an. In den Folgejahren vergrößerte sich die LPG durch Zusammenschlüsse mit anderen LPGen der Nachbarorte, bis 1975  die spezialisierte LPG Pflanzen-produktion „Saaletal“ (ab 1977 LPG (P) „Wilhelm Pieck“) mit Sitz in  Kirchhasel entstand. Der industriemäßig organisierte Pflanzenbaubetrieb umfasste ein Gebiet von 12.600 ha und bearbeitete 3880 ha Ackerland und 1410 ha Grünland. In Kirchhasel entstand ein neues Verwaltungs- und Sozialgebäude, ein großer Technikstützpunkt für die Instandhaltung der Traktoren und Großmaschinen und 1986 noch eine Kartoffelschäl- und Gemüseaufbereitungs-anlage sowie ein Kartoffellagerhaus und eine Kartoffelsortieranlage (siehe Bild). Die geplante Gemüsekonservierungs-anlage kam nicht mehr zur Ausführung. Zur Gewinnung neuer Arbeitskräfte für die Kartoffel- und Gemüseaufberei-tungsanlage wurden 1986-87 fünf Wohnblöcke mit je 6 Wohnungen „Hinter der Kirche“ errichtet. Außerdem entstanden in den 1980er Jahren 19 private Einfamilienhäuser, seit dem 1970er Jahren wurden auch viele alte Bauernhäuser modernisiert (Einbau von Bädern, WC’s, Kleinkläranlagen usw.), leider sind dabei nicht wenige Fachwerkhäuser durch Überputzen der Hausoberfläche ihrer Schönheit beraubt worden. Die Einwohnerzahl erhöhte sich  von 603 EW (1981 Tiefstand) auf 689  EW (1989). 


Vergleiche

Jürgen Weyer: Geschichte der Haseldörfer (2005 / siehe Veröffentlichungen/Bücher),

Jürgen Weyer: Landwirtschaft in Thüringen 1945-1960 (2009 / siehe Veröffentlichungen/Bücher),

Jürgen Weyer: Das Dorf: Von sozialistischer Utopie zur Lebenswirklichkeit heute (2010 / siehe Veröffentlichungen/Bücher),

Jürgen Weyer: Karten und Luftbilder erzählen Kirchhaseler Geschichte (2018 / siehe Veröffentlichungen/Bücher), 

Jürgen Weyer: Agrarflug im Kreis Rudolstadt (2017 / siehe Veröffentlichungen/Einzelbeiträge),

Jürgen Weyer: "Der hat sich nicht verflogen, der ist abgehauen" - Flucht eines Agrarfliegers (2017 / Veröffentl. /Einzelbeiträge)

Jürgen Weyer: Leseland DDR - Ein persönlicher Rückblick im 30. Jahr nach dem Mauerfall (2019/ Veröffentl./Einzelbeiträge)


Bild 1: Heuernte in einer einzelbäuerlicher Wirtschaft (1958) ;       Bild 2: Grasmahd mit einer LPG-Brigade (1969);

Bild 3: Flugzeughangar mit Agrarhubschrauber (1987);                   Bild 4: LPG-Technikhof, Gemüsehallen, Kartoffellagerhaus (1989)